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Ruhrstraße 33 Heimatroman
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Roman von Dietrich Rauschtenberger

Inhalt

Ein heißes Buch vom Leben am Rande des Ruhrgebietes kurz nach dem 2. Weltkrieg: Wie Julius “Jülle“ Ewaldt seine Unschuld und Jugend verliert, als er hinter die Geheimnisse der Erwachsenen kommt und begreift, dass sie gar nicht anders können, als einander ständig zu verraten. Jülle ist einer, den man nicht so schnell vergisst...

Heike Rudolph, die Pressesprecherin der Stadt Schwelm, rezensierte 1999 im Journal für Schwelm (Heft 76) eine erste Version des Romans, damals noch mit dem Arbeitstitel Kramers Dackel. Sie schrieb: “Die Gattung des Heimatromans genießt einen zweifelhaften Ruf. Dabei hat das Heimatstück bzw. die Geschichte aus der Provinz immer wieder herausragende Autoren zu exzellenten Arbeiten über den Menschen in seinem unmittelbaren Lebensumfeld herausgefordert. Das Romanmanuskript “Kramers Dackel“ verbindet den Heimatroman mit der Entwicklungsgeschichte.“

Mitte der fünfziger Jahre lebt Jülle mit seinen Eltern Martha und Adolf “Addi“ Ewaldt in einer Zweizimmerwohnung in der Kleinstadt Wacke. Der Vater war zu lange im Krieg und in der Gefangenschaft, als dass danach noch einmal ein Familienleben glücken könnte. Der Zusammenbruch seiner nationalsozialistischen Weltanschauung hat ihn zu einem verbitterten Säufer gemacht. Er schlägt sich mit dem Verkauf von Haushaltsgeräten durch. Jülle hat zu seiner Mutter ein besseres Verhältnis als zu seinem Vater, aber sie arbeitet in der Lampenfabrik und hat nicht viel Zeit für ihn.

Der Roman erzählt Jülles Entwicklung vom phantasiebegabten Kind, das die Wirklichkeit mit den Leseeindrücken aus amerikanischen Groschenheften verquickt, zum jungen Mann, der die Pubertät mit all ihren Verheißungen und Schrecken erlebt und schließlich von Zuhause ausreißt.

Am Anfang lernt man Jülle kennen im Umgang mit seinen Freunden und den Freunden seiner Eltern, mit den Nachbarn und den Gewerbetreibenden in der kleinen Welt der Ruhrstraße. Herr Kachel, Hauswirt und Schrotthändler, auch “Geier” genannt, lässt das Fachwerkhaus Ruhrstraße 33 verkommen. Jülles Mutter möchte eine andere Wohnung, aber der Vater hat dafür kein Geld. Deswegen gibt es oft Streit. Für Jülle steckt das Haus voller Rätsel. Vor langer Zeit ist es eine Herberge gewesen, manchmal hört Lulle die Stimmen der toten Fuhrleute, die hier gezecht haben. Es gibt geheimnisvolle Tapetentüren, durch die die Schlafzimmergeräusche von den Nachbarn herüberdringen. Er schläft in der Wohnküche. Das Frühstück muss er sich selbst machen, seine Mutter geht früh zur Arbeit. Im Schlafzimmer schläft der Vater seinen Rausch aus. Jülle ist in die Nachbarin Vilma Kramer verliebt. Vilma ist während des Krieges als russische Zwangsarbeiterin nach Wacke gekommen. Jülle besucht sie, wenn ihr Ehemann Lothar unterwegs auf Montage ist. Kramers haben keine Kinder, dafür aber einen dauernd kläffenden Dackel namens Strolchi. In der Gasstraße wird über Vilma getratscht, die erotische Ausstrahlung Vilmas beschäftigt die Fantasie der Männer.
Jülle ist in der letzten Klasse der Volksschule und gehört zu den Besten. Sein Freund Helmut Simmel, genannt Monner, wohnt im Nachbarhaus, Gasstraße 31. Seine Eltern gehören einer Sekte an. Monner geht zum Gymnasium. Jülle würde auch gerne zum Gymnasium gehen, aber sein Vater ist dagegen. Monner und Jülle machen sexuelle Spielchen.

Jülle hat einen festen Platz bei den Kindern der Ruhrstraße. Familienleben kennt nur aus Büchern. Mit anderen Jungen gehört er zu einer Bande, deren Anführer Monner ist. Ihr Hauptquartier ist Bauer Dahlmanns alter Kaninchenstall. Nach der Schule streift Lulle durch das “Ländchen”, einer Industriebrache an der Eisenbahn, die eine wichtige Rolle in seinem Leben spielt. Dort schlüpft er in die Rolle von Lucky Lenox, dem Wildwest-Helden. Seine ersten sexuellen Erfahrungen macht er mit Evi, die ihm ihre “rosa Blume” zeigt. Damit beginnt für ihn die Phase der erweiterten Doktorspiele.

Jülles “großer Freund” ist der Fernfahrer Bernd Bierkemper, der sich bei Jülles Mutter mit kleinen Reparaturen beliebt macht. Sie und Bernd kommen sich näher und sie denkt daran, sich scheiden zu lassen. Jülle hätte Bernd gerne zum Vater.

Der Fotograf Richard Hölter, genannt der Blaue oder Richie, und sein zwergwüchsiger Gehilfe Williken Wenzel sind Saufkumpane seines Vaters. Die beiden ziehen über die Jahrmärkte - Williken im Kostüm von Mecki, dem Igel - und animieren die Leute, sich mit Mecki fotografieren zu lassen. Jülle kommt ganz allmälich dahinter, dass Hölter pornografische Fotos macht und die Ruhrstraße mit geschmuggelten Zigaretten versorgt.

Außer für Sex interessieren sich Jülle und Monner sehr für Technik. Sie bauen das Modell einer Einschienenbahn (Alwegbahn, heute Transrapid) und lassen es auf dem Handlauf des Treppengeländers von “Nummer 33” fahren. Bei der ersten Fahrt wird Strolchi, Kramers Dackel, von dem Fahrzeug getroffen und stirbt. Sie stecken die Leiche in einen Sack und werfen ihn auf Kachels Schrottplatz in einen Schrottwaggon. Strolchis Tod markiert das Ende von Jülles Kindheit.

Jülle soll konfirmiert werden, aber Martha Ewaldt hat kein Geld für die Feier. Vilma macht den Vorschlag, Jülles Konfirmation zusammen mit ihrem Geburtstag zu feiern. Die Feier findet im “Scharfen Eck” statt, der Kneipe gegenüber. Außer den Nachbarn, Freunden und Bekannten aus der Gasstraße kommt Marthas Schwester Berni mit ihrem Mann Hein Lührsen und ihrer Tochter Regine aus Hamburg. Aus der DDR reist der Vater von Martha und Berni an, der mit seiner zweiten Frau Liesbeth als SED-Funktionär in Leipzig lebt.

Jülle verliebt sich in Regine. Die ältere, sexuell erfahrene Regine sieht in ihm nur einen kleinen Jungen, mit dem sie machen kann, was sie will. Evi kann in Jülles Augen den Vergleich mit Regine nicht bestehen. Ohne zu wissen, was das ist, hat er ein Beziehungsproblem. Auf der Konfirmationsfeier lässt er Evi spüren, dass sie im Weg ist. Enttäuscht trifft sie sich mit Monner in Dahlmanns Kaninchenstall. Jülle beobachtet die beiden, wütend bringt er den Stall zum Einstürzen.

Bei der Konfirmationsfeier wird Jülle immer weiter in das sexuelle Beziehungsgeflecht der Erwachsenen hineingezogen. Es kommt zur Krise und beinahe zu einer Katastrophe. Während Bill Parker, ein amerikanischer Soldat, der nach Wacke gekommen ist, um Zigaretten gegen die pornografischen Fotos des Fotografen Hölter zu tauschen, im Scharfen Eck für Aufregung sorgt, entdeckt Jülle in Hölters Dunkelkammer einen Sack mit einem ausgestopften Hund, der genauso aussieht wie Kramers Dackel Strolchi. Er glaubt, das wäre ein Überraschungsgeschenk für Vilma von Bierkempers Bernd. Um Regine zu imponieren, zieht er Willikens Mecki-Kostüm an, geht ins Scharfe Eck und überreicht Vilma den ausgestopften Dackel. Das Geschenk kommt nicht gut an. Weil er wegen der Maske nichts sehen kann, weiß er nicht, dass der Hund so präpariert ist, als ob er gerade dabei wäre, mit erigiertem Penis eine Hündin zu besteigen. Natürlich glauben alle, in dem Mecki-Kostüm stecke Williken. Noch nicht einmal seine Eltern erkennen ihn. Sein Vater schenkt ihm Schnaps ein. Jülle taumelt angetrunken durch das Scharfe Eck. Die Igel-Maske wirkt wie eine Tarnkappe und er kommt hinter die Geheimnisse der Erwachsenen. Seine Kinderwelt geht in die Brüche. Als er dann noch beobachtet, wie sein Vater Regine im Ehebett verführt, versucht er das Haus anzuzünden. Im letzten Moment hält ihn Evi davon ab. Danach sprechen sie zum ersten Mal über ihre Gefühle füreinander. Jülle weiß jetzt, dass er Evi liebt, aber er kann nicht mehr in Wacke bleiben. Er hält Bill Parkers Truck an und flieht mit ihm in eine unbekannte Zukunft.